Potsdamer Abend

26. Januar 2019
Kategorie: 
Club

Eigentlich hätte das alljährliche „Familienfest“ des Potsdamer Yacht Club „Potsdamer Nachmittag, Abend und Nacht“ heißen müssen. Allein die Dauer der Veranstaltung – von 17 Uhr bis nach 1.30 Uhr – spricht für ihren Erfolg. Pünktlich zum offiziellen Beginn um 17 Uhr herrschte bereits buntes Treiben. Bei Sekt und Fingerfood unterhielt man sich prächtig, freute sich über das Wiedersehen mit der Abordnung der Gorch Fock als höchst willkommenem Gast und fand dank der perfekten Organisation von Nicole Matthes schnell seinen Platz an den Tischen im Saal und auf der Terrasse.


Hartmut Waldow musste schließlich zur Einhaltung der „Tagesordnung“ drängen. Die Begrüßungsrede des Vorsitzenden fiel dann auch entsprechend kurz aus, und nach einem Dank an alle Mitglieder gab er das Wort an Hartmut Papenthin (stellv. Vorsitzender und Jugendobmann) sowie Katharina Steinmüller (hauptamtliche Trainerin) weiter. Stellvertretend auch für den erkrankten hauptamtlichen Trainer Kevin Zilch stellte Katharina die erfolgreichsten und besten jungen Seglerinnen und Segler aus den Trainingsgruppen Opti B, Opti A, Laser und 420er vor. Eine Powerpoint-Präsentation unterstützte das Gesagte. Neben jeweils einem Action-Foto der Geehrten wurden die Höhepunkte der vergangenen Saison noch einmal aufgeführt und boten einen beeindruckenden Überblick. Als Auszeichnung erhielten die Jugendlichen je einen schicken Rucksack mit dem Schriftzug und Stander des Potsdamer Yacht Club („Ein neues Merchandising-Produkt!“, so Hartmut Papenthin) sowie eine Karte für ein Alba-Spiel. Abgesehen von den konkreten Platzierungen erfuhren die Mitglieder aber auch die eine oder andere Geschichte aus dem „Nähkästchen“. Und so litten die erfahrenen Segler mit den jungen Talenten, die durch eine Kenterung einen sicheren 1. Platz einbüßten, und freuten sich über die Cleverness des kleinen Opti-B-Seglers, der als einziger die hilfreiche Böe beim Start nutzte und dadurch einen solchen Vorsprung erzielte, dass die Konkurrenz am Ende Protest einlegte, weil sie glaubte, es sei Mogelei im Spiel.


Die Ehrungen im Einzelnen:
Opti B:
Milla & Zoe Kläner-Herida
Elena Scharnbeck
Sebastian Backhaus
Ruben Beerhues
Opti A:
Louisa Böcker
Clara Held
Samuel Tolckmitt
Eddy von Bülow
Moritz Peschke
Romeo Grobe
Laser 4.7:
Gesa Papenthin
Max Bilo
Laser Radial:
Elias Böttger
Albert Paschen
420er:
Vincent Bahr (YCBG)
Lars Kleinwächter

In der Küche der Gastronomie muss derweil latente Verzweiflung geherrscht haben, denn das Servieren des Hauptgangs war längst überfällig. Angenehm gesättigt und genügend gestärkt wurde anschließend die zweite Hälfte der Ehrungen zelebriert. Frank-Peter Thieme (Thiemchen), Hartmut Papenthin und Dr. Rainer Didszuhn baten die besonders erfolgreichen „Großen“ nach vorn zum Rednerpult, wobei der eine oder andere mit der Ehrung tatsächlich überrascht wurde. Mit einer Auszeichnung für seine Verdienste um die Erwachsenen-Lasergruppe („PYC Laser Master UHUs“) hatte Hans Glave offenbar ebenso wenig gerechnet wie Prof. Hans-Peter Fink, der von den Seeseglern für seine seglerische Bandbreite – Regatta- und Seesegeln – geehrt wurde.
Große Freude herrschte darüber, dass Svenja Weger, die u.a. erneut Deutsche Meisterin im Laser Radial wurde, persönlich zugegen sein konnte. Für gewöhnlich befindet sie sich um diese Jahreszeit in Florida, um die erste große Regatta des Jahres zu segeln. Als frischgebackene Sportsoldatin ist sie durch die Grundausbildung zur Zeit jedoch an Deutschland gebunden und konnte daher auch gleich die Gelegenheit nutzen, den Mitgliedern das Prozedere der Auswahl für die Teilnahme an den Olympischen Spielen in Tokio 2020 zu erläutern. Die Tatsache, dass Svenja für Deutschland einen Startplatz in der Bootsklasse Laser Radial ersegelt hat, entscheidet nämlich noch nicht automatisch darüber, dass sie diesen auch wirklich selbst einnimmt. Der Trägerin der Georg-Grünwald-Kette des vergangenen und des neuen Jahres, seit 1954 die Auszeichnung für den/die beste/n RegattaseglerIn des Clubs, werden allenthalben die Daumen gedrückt! (Spenden zur Förderung z.B. der aufwändigen Logistik sind weiterhin sehr willkommen!)

Auszeichnungen erhielten:
Aufbau und Betreuung der Erwachsenen-Lasergruppe: Hans Glave
Regelmäßigste Teilnahme an den Mittwochsregatten: Axel Bergmann & Crew (Boot: Chick)
Clubmeister, 2. Platz Berliner-Yardstick-Cup 2018: Daniel Ebeling und Crew (Boot: Sweet Sixteen)
Segel-Bundesliga-Mannschaft: 2. Platz im DSL Pokal: Freddy Eichhorst, Mike Przybyl, Leonie Eichhorst und Paul Pox; Teammanager Jens Hartwig sowie Moritz Paschen und Team
470er: Lucas Schlüter, Freddy Eichhorst
H-Boot: Holger Köhne, Jan Köhne, Sven Ulrich
505er: Wolfgang Hunger, Holger Jess
470er & Korsar: Uti Thieme, Frank-Peter Thieme
Laser Radial: Svenja Weger
Seesegler: Hans-Peter Fink

Nur sehr wenige folgten im Anschluss an das Dessert dem Ruf der sportlichen Konkurrenz (Handball-WM Halbfinalspiel Deutschland – Norwegen, Fußball-Bundesliga Hertha – Schalke). Der Saal blieb gut gefüllt, und man lauschte gebannt den Worten des Kommandanten der Gorch Fock, Nils Brandt, der die missliche Situation erläuterte, in der sich das Segelschulschiff und seine Besatzung befindet. Nach den ungewissen Jahren 2016 bis 2018 wisse man auch Anfang 2019 nicht, wie es weitergehe, bekannte er.


Das Schiff sei 2015 in die Werft gebracht worden, 2016 habe sich herausgestellt, dass es in der Substanz doch sehr stark mitgenommen sei – was bei einem 58 Jahre alten Schiff aber auch nicht besonders verwundern dürfe. Immerhin verbringe das Schiff nicht den Sommer auf der Ostsee und den Herbst und Winter irgendwo in den Kanaren, stattdessen seien sie mit ihm meistens erst kurz vor Weihnachten von ihren Ausbildungsreisen wiedergekommen und hätten sich die Tiefdruckgebiete der Nordsee oder im östlichen Atlantik „gegönnt“. Ende 2017 seien sie also zu dem Schluss gekommen, dass man einen „faktischen Neubau schiffbaulicher Art“ durchführen müsse. Die Diskussionen in der Presse, für das Geld habe man doch einfach neu bauen können, seien also obsolet. Genau das werde durchgeführt, nur nutze man den alten Balkenkiel, den alten Steven und erhalte das alte Heck. Alles andere sei neu! Der schiffbauliche Anteil der Gorch Fock sei zu 85% fertig! Man habe ein 3D-Modell vom gesamten Schiff („So wie Sie das alle vom IKEA-Küchenstudio kennen.“) - ein Novum für die deutsche Marine.


Gegen die Vorwürfe des illegalen Teakholzes habe man sich erfolgreich gewehrt, weil der Kauf des zertifizierten Holzes zum damaligen Zeitpunkt rechtlich unproblematisch war. Da das Material inzwischen jedoch nicht mehr legal beschafft werden könne, werde man jetzt in Zusammenarbeit mit dem Thünen-Institut für Holzforschung einen Probelauf mit drei Alternativhölzern durchführen, die an Deck der Gorch Fock verlegt werden. - Die Recherche nach einem für Seewasser geeigneten Holz führe in der 800 Nutzholzsorten umfassenden Datenbank des Instituts momentan allerdings lediglich zu zwei Treffern: Bongossi, das aber sehr schwer sei, und eben Teakholz.
Kommandant Brandt kämpft um sein Schiff. Dass es nächstes Jahr zu diesem Zeitpunkt noch ein SSS Gorch Fock gebe, könne er aber nicht versprechen, so Brandt. - Daher freue er sich stets, wenn er in den Potsdamer Yacht Club komme und überall die Devotionalien der letzten Jahre sehe. Diese Tradition wolle man auch nicht abreißen lassen und habe dieses Jahr ein Stück der Außenhaut – etwas leichter als der Doppelpoller des letzten Jahres – mitgebracht. Es handle sich dabei quasi um das Gegenstück zu dem Bullauge, welches das Rednerpult des Clubs darstellt, und repräsentiere den typischen Anblick der Gorch Fock: weißer Rumpf mit gelbem Streifen. In der Mitte hänge übrigens die Medaille, die die Marine zum 60. Jubiläum der Gorch Fock zusammen mit der KPM entwickelt habe. Der Kommandant schloss seinen Vortrag u.a. mit einem Dank für die Regattateilnahmen, die der Club verschiedenen Besatzungsmitgliedern der Gorch Fock ermöglicht habe.


Hartmut Waldow zeigte sich gerührt, dankte seinerseits der Abordnung der Gorch Fock sowie ihrem Kommandanten und versprach, die Crewmitglieder im Anschluss sogleich mit Krawatten des Potsdamer Yacht Club auszurüsten. Darüber hinaus überreichte Dr. Constantin Elfe dem Kommandanten einen Modellbausatz der Gorch Fock, im Maßstab 1:150 - „für die Crew, für lange Winterabende“. Kommandant Brandt schmunzelte und dankte: „Da wollen wir doch mal sehen, wer schneller fertig ist: Wir oder die Werft!“
Trotz der bisweilen ernsten Worte setzte sich die fröhliche Stimmung sowohl auf dem eifrig genutzten Dancefloor als auch an der Bar bis tief in die Nacht fort. Dem „Familienfest“ war damit ein deutlich glücklicherer Erfolg beschieden als der deutschen Handballnationalmannschaft oder den Herthanern an diesem Abend.

Sigrun Putjenter (Text und Fotos)